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Provenienzforschungsprojekt

Im Städtischen Museum Aschersleben gibt es starke Verbindungen zu der örtlichen Freimaurerloge „Zu den drei Kleeblättern“, denn das Museum nutzt seit 1955 das Logenhaus und beherbergt 109 Freimaurer-Objekte. Ein Provenienzforschungsprojekt hat die Herkunft der Objekte aufgearbeitet.

Im zweiten Obergeschoss des Städtischen Museums in Aschersleben verbirgt sich ein wahrer Schatz: Der Tempel der Freimaurerloge »Zu den drei Kleeblättern«. Dieser kann während des Museumsrundgangs besichtigt werden, denn er ist deutschlandweit der einzige Freimaurertempel einer aktiven Loge, der öffentlich, also auch Nicht-Freimaurern, zugänglich ist. Die dortige Ausstellung informiert über die Geschichte der örtlichen Loge und zeigt rund 50 Exponate des Freimaurertums.

Das Gebäude am Markt war von 1798 bis 1935 Sitz der Loge „Zu den drei Kleeblättern“. Mit dem Verbot und der Liquidation der Loge 1935 durch das NS-Regime ging das Grundstück in den Besitz der Stadt Aschersleben über. Seit 1955 befindet sich das Städtische Museum im Gebäude. 1992 wurde das Haus der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland als Nachfolge-organisation übertragen und 1993 die Johannisloge „Zu den drei Kleeblättern“ reaktiviert. Seitdem nutzen Loge und Museum das Haus gemeinsam.

Das Museum besitzt zudem mehrere Objekte mit Freimaurer-Bezug. Wegen des Verbots der Freimaurerei in Nazi-Deutschland 1935 und der damit einhergehenden Enteignung der Logen lastet auf Freimaurer-Objekten in Museumsbesitz durchaus ein Verdacht auf NS-Raubgut. Die Aschersleber Loge ist daran interessiert, ihr NS-verfolgungsbedingt entzogenes Eigentum zurückzuerhalten. Aus diesem Grund stellte der hiesige Logenmeister Hans-Martin Kohlmann im Jahr 2019 gegenüber dem Museum einen „Antrag auf Rückgabe von Logeneigentum“. Mit Unterstützung der Koordinierungsstelle Provenienzforschung am Museumsverband Sachsen-Anhalt e. V. stellte das Museum beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste einen Antrag auf eine finanzielle Förderung der nötigen Provenienzrecherchen. Für Objekte mit nachweislicher Verbindung zur Ascherslebener Loge und deren Verfolgung in der NS-Zeit sollte im Sinne der Washingtoner Erklärung von 1998 eine „faire und gerechte Lösung“ gefunden werden.

In einem vom Zentrum geförderten, sechsmonatigen Forschungsprojekt, von März bis August 2021, untersuchte die Kunsthistorikerin Christiane Grathwohl-Scheffel sämtliche Objekte mit Freimaurerbezug am Museum Aschersleben auf ihre Herkunft und arbeitete die NS-verfolgungsbedingt erzwungene Auflösung der Freimaurerloge auf. Sie suchte nach Objekten mit Verbindung zu Frei-maurern, begutachtete sämtliche 109 Objekte auf Provenienzmerkmale und dokumentierte die Befunde. Damit räumte sie einerseits den Verdacht aus, dass Logeneigentum noch unerkannt im Depot des Museums lagere. Andererseits ergab sich ein Status quo für eine Trennung zwischen Eigentum der reaktivierten Loge und Museumseigentum. Außerdem ermittelte die Provenienzforscherin Vorbesitzer:innen und ergründete, warum diese sich von den Objekten getrennt haben, und rekonstruierte deren Weg ins Städtische Museum. Untersuchungsgegenstand waren Bücher, Ritualgegenstände, freimaurerische Kleidung, Kanonengläser und Abzeichen, sogenannte Bijoux.

Demnach gelangten 48 Objekte ab 1980, mehrheitlich nach 1990, an das Museum durch Schenkungen und gezielte Ankäufe von Nachkommen der zwischen 1900 und 1935 aktiven Brüder. Das örtliche Museum wurde zum Ansprechpartner für derartige Nachlässe. Die Zuständigkeiten des Museums und der wieder existierenden Loge waren nach der deutschen Wiedervereinigung den Beteiligten vermutlich noch nicht klar. Spektakulär ist der Dach-bodenfund von vier Fassadenschmucksteinen in Form eines dreiblättrigen Kleeblattes während des Forschungsprozesses. Diese wurden versteckt hinter dem Drempel auf dem Dachboden des Museums aufgefunden. Ein gleichartiger Stuck war bereits in den 1990er Jahren auf dem Dachboden geborgen worden. Auch zwei Kanonengläsern ist dieser Fundumstand zuzuschreiben. Bereits in den 1950er Jahren wurden sie von Museumspersonal entdeckt und geborgen. Ob diese von der Loge dort absichtlich zurückgelassen wurden, um sie vor der „Gestapo“, der Geheimen Staatspolizei, zu verstecken, konnte nicht aufgeklärt werden.

Darüber hinaus konnte durch Recherchen im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin sowie im hiesigen Stadtarchiv die Liquidationsgeschichte der Loge nahezu lückenlos aufgearbeitet werden. Die archivierte Inventarliste der Geheimen Staatspolizei („Gestapo“), die die Beschlagnahmung des Aschersleber Logeneigentums 1935 durchführte, listet 340 Gegenstände auf. Diese sind bis heute nicht auffindbar.

Das Forschungsprojekt verdeutlicht aber den mittelbaren NS-verfolgungsbedingten Entzug von sieben Objekten, die auf dem Dachboden des Logengebäudes entdeckt wurden. Dem Museum ist daran gelegen, das geschehene Unrecht gegenüber der Loge wiedergutzumachen. Das Museum stellt sich damit seiner historischen Verantwortung und erfüllt die Selbstverpflichtung von Bund und Ländern zur Umsetzung der Washingtoner Prinzipien. Gemeinsam mit dem Logenmeister der Freimaurerloge „Zu den drei Kleeblättern“ wurde die Restitution von 17 Objekten vereinbart. Neben den fünf Fassadenschmucksteinen und den zwei Kanonengläsern beinhaltet die Übergabe mehrere Bücher und ein Logenabzeichen.

Während des Forschungsprozesses wurden zudem zwei weitere Eigentümer ausgemacht: Drei Bücher mit Eigentumshinweisen der liquidierten Eislebener Logen „Florens“ und „Zum aufblühenden Baum“ werden an die wieder-gegründete Loge „Zum aufblühenden Baum“ in Eisleben restituiert. Der entdeckte handschriftliche „Katalog der Medaillen- und Bijoux-Sammlung der Großen Landesloge d. Frm. Von Deutschland. Schlichting 31.12.50“ stammt nicht aus der NS-Zeit und geht an das Logenmuseum in St. Michaelisdon, das die betreffende Sammlung verwahrt.

Am 13. April, am internationalen Tag der Provenienzforschung, fand in Beisein des Logenmeisters Hans-Martin Kohlmann und des Kulturstaatssekretärs Dr. Sebastian Putz die Restitution statt.
Es ist einer der wenigen Fälle in Sachsen-Anhalt, bei denen NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut an die rechtmäßigen Eigentümer restituiert werden kann.

Das Projekt wurde gefördert durch:

Logo Deutsches Zentrum Kulturgutverluste